DR. ANDREAS BRUGGER, RECHTSANWALT
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Themen Gemeindegut

Inhalt
Der Fall Neustift
Unrecht entdeckt........
Anfänge der Besiedlung
Kampf um Wald + Weide
1847: Wald an Gemeinden
Nutzungsrechte
  -  im provGG 1849
  -  in GO 1866
  -  1866 bis heute
Flurverfassung seit 1883
Grundbuchsanlegung
Agrarbehörde
Gemeinden zu Regulierung
VfGH 1982
Reaktion auf VfSlg 9336
Resümee
Novellierungsmöglichkeiten

Bescheid und Gesetzesänderung:

Es gibt in unserer Rechtsordnung (Verfassungsordnung) keine Bestimmung, die es generell verbieten würde, Rechtsverhältnisse, die durch einen Bescheid gestaltet wurden, nicht später durch ein Gesetz zu ändern. Im Gegenteil: Nach herrschender Lehre und Rechtssprechung erstreckt sich die sogenannte Rechtskraftwirkung eines Bescheides nicht auf eine geänderte Rechtslage (VwGH 92/12/0173 ua). Vereinfacht ausgedrückt gilt also die Regel: Späteres Gesetz bricht früheren Bescheid.

Eine Ausnahme von dieser Regel könnte nur in besonderen Fällen aus dem Gleichheitsgrundsatz abgeleitet werden:

Wenn zum Beispiel ein Unternehmer eine Anlage errichtet, wird er sich als sorgfältiger Kaufmann überlegen, was die Errichtung der Anlage kostet und ob die voraussichtlichen Erträge dieser Anlage deren Errichtung rechtfertigen. Wenn daher ein solcher Unternehmer weiß, dass die Anlage aufgrund behördlicher Auflagen zu teuer wird, um noch wirtschaftlich betrieben werden zu können, wird er sie in der Regel nicht errichten. Würde man nun von einem solchen Unternehmer verlangen, dass er seine (gesetzes- und bescheidkonform errichtete) Anlage an später erlassene Gesetze anpasst, und dafür womöglich beträchtliche Summen aufwendet , nähme man einem solchen Unternehmer die Möglichkeit, seine wirtschaftlichen Entscheidungen nach der Gesetzeslage zu richten. Wenn man daher dem Eigentümer einer bescheidgemäß errichteten Anlage nachträglich gesetzliche Auflagen aufbürdet, stellt man ihn schlechter, als jene, die sich von Anfang an auf solche Auflagen einstellen können. Diese Überlegung zeigt, dass ein Eingriff in rechtskräftige Bewilligungsbescheide durch nachträgliche Auflagen aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatz problematisch sein könnte.

Trotzdem hat sich der Gesetzgeber auch in solchen Fällen verschiedentlich dazu entschieden, nachträgliche Eingriffe in rechtskräftige Bewilligungsbescheide zuzulassen, wenn sie nicht unverhältnismäßig sind (siehe zum Beispiel § 79 Gewerbeordnung, § 21a Wasserrechtsgesetz, § 26 Abs. 9 Tiroler Bauordnung usw.).

Hinsichtlich der hier zu untersuchenden das Eigentum und die Nutzungsrechte am Gemeindegut betreffenden Bescheide liegt jedoch ein völlig anderer Sachverhalt vor:

Es ist unbestritten, dass die Nutzungsrechte am Gemeindegut ebenso wie die Anteilsrechte an Agrargemeinschaften öffentliche Rechte sind (VfGH 4.3.1968, B293/66, Slg. 5666).

Öffentliche Rechte deshalb, weil diese Rechte Ausfluss der Gemeindebürgerschaft also eines Rechts sind, das seinen Ursprung in der Organisation unseres Staates (und nicht im Privatrecht) hat.

Öffentliche Rechte und Privatrechte unterscheiden sich jedoch in einer ganzen Reihe von Punkten ganz wesentlich:

Die in die Position von Agrargemeinschaftsmitgliedern emporgehobenen Nutzungsberechtigten am Gemeindegut konnten zu keinem Zeitpunkt mit Recht annehmen, es werde sich an ihrer Stellung in der Agrargemeinschaft nie mehr etwas ändern, da die Flurverfassungsgesetze immer schon vorgesehen haben, dass die Regulierungspläne (also jene Bescheide, aus denen sich die den einzelnen Mitgliedern innerhalb der Agrargemeinschaft zustehenden Rechte und Pflichten ergeben) von Amts wegen wiederum geändert werden können (Vgl. §§ 110 und 112 Teilungs- und Regulierungslandesgesetz, LGBl. für Tirol Nr. 61 vom 19.Juni 1909, § 86  Flurverfassungslandesgesetz vom 6.6.1935. LGBl. für Tirol Nr. 42 und § 86 Flurverfassungslandesgesetz vom 16.7.1952, LGBl. für Tirol Nr. 32).

Auch ein Blick in verwandte Gesetzesmaterien zeigt, dass in diesem Rechtsbereich den einmal erlassenen Bescheiden keineswegs Ewigkeitswert zugebilligt wird. So bestimmt zum Beispiel § 8 Abs.1 des geltenden Tiroler Wald- und Weideservitutengesetzes (LGBl. Nr. 21/1952 idF LGBl. Nr. 56/2001, 47/2004) "Nutzungsrechte ... können auf Antrag oder von Amts wegen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes reguliert oder abgelöst werden, auch wenn sie bereits nach älteren Vorschriften reguliert oder neu reguliert worden sind".

Eine allfällige Rechtskraft der ergangenen rechtswidrigen Regulierungsbescheide würde daher einer gesetzlichen Sanierung der bestehenden ungerechten Verhältnisse nicht im Wege stehen.

Es stellt sich daher nur die Frage, ob die Tiroler Landesregierung (bzw. genau genommen: ob der Tiroler Landtag) eine solche Reparatur überhaupt will.