In einer Osttiroler Gemeinde reagierten einige ÖVP-Gemeinderäte auf die Regulierung eines Fraktionsgutes (bei welcher auch das Eigentum für eine Agrargemeinschaft festgestellt wurde), mit dem Vorwurf, die Bauern hätten den Wald gestohlen und geraubt, was natürlich im juristischen Sinne nicht richtig sein konnte, weil man nur bewegliche Sachen stehlen oder rauben kann. Ob allerdings die Vermutung einer kriminellen Vorgangsweise im konkreten Fall stichhältig war, kann ich ohne genaues Studium des Aktes nicht sagen. Dass aber das Fraktionsvermögen nicht den Bauern gehörte, sondern mit Einführung der deutschen Gemeindeordnung den Gemeinden übertragen wurde, ergibt sich ganz klar aus § 1 der Verordnung über die Einführung der deutschen Gemeindeordnung vom 15. September 1938, was auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 9336/1982 nochmals bestätigt hat.
Die Landesregierung antwortete auf diese Vorwürfe mit einer Anzeigedrohung für den Fall, dass die Anschuldigungen vor einem eigens zu diesem Zweck einzuberufenden Gemeinderat "als vollkommen grundlos" zurückgenommen würden. Ob die Vorwürfe in der Folge tatsächlich zurückgenommen wurden, ist mir nicht bekannt.
In Zams traten Vizebürgermeister Egg zurück und legte die gesamte SPÖ-Fraktion des Gemeinderates alle Funktionen im Gemeindevorstand nieder. Sie Iformierten die Bevölkerung in einem Flugblatt über die Gründe für ihr Vorgehen. Einige Zitate:
"Das Verfahren, das der Gemeinde aufgezwungen wurde, geht schon über Jahre. Der von der Aufsichtsbehörde der Landesregierung bestellte Gemeindevertreter (nicht im Gemeinderat) ... ist mit allen Vollmachten ausgestattet und nur allein er ist berechtigt, für die Gemeinde Zams zu verhandeln, Verträge und Vergleiche abzuschließen, ohne die Gemeindevertretung zu fragen. Ein wahrhaft demokratischer Vorgang, der einem unbeteiligten nur ungläubiges Kopfschütteln abnötigen kann und er wird noch fragwürdiger, wenn der Vertreter im laufenden Verfahren als befangen gelten muss. ...
Die Tatsache allein, dass Liegenschaften, die im Grundbuch als Besitz der Gemeinde Zams aufscheinen, ...einem noch nicht existenten Agrarverein übergeben werden sollen, ist nur mit einer Enteignung zu vergleichen....
Für den bestellten Gemeindevertreter im Agrarverfahren wäre bei dieser Enteignung vorgeschrieben gewesen, als Minimum 20 % vom Wald anteilsmäßig zu verlangen. Der bevollmächtigte Zammer Interessenvertreter erklärte aber der Landesbehörde, dass 8 % vom Gemeindewald eh noch viel zu viel sei. ..."
Diese Kritik wurde von Seiten des Genarmeriepostenkommandos Zams offenbar als Gefahr für die öffentliche Sicherheit eingestuft und demzufolge sowohl an die Bezirkshauptmannschaft Landeck, als auch an die Sicherheitsdirektion für Tirol berichtet. Laut Bericht der Tiroler Tageszeitung vom 5. Dezember 2006 legte die Sicherheitsdirektion diesen Bericht sofort Herrn Landeshauptmann Wallnöfer mit der Bitte um weitere Anweisungen vor.
Im April 1981 gab Senatsrat DI. Dr. Hermann Götsch dem Wirtschaftsmagazin Contakt ein Interview. Der Titel der Veröffentlichung lautete: "Der Milliardencoup". Hier einige Zitate:
"Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit läuft in den Dörfern und Städten, vorwiegend Westösterreichs ein Prozess der Umschichtung von Grundeigentum ungeheuren Ausmaßes ab. Wälder, Wiesen, Almen, ganze Berge und Täler, die seit mehreren Generationen im Eigentum der Gemeinde waren, werden durch sogenannte Regulierungsverfahren an Agrargemeinschaften übertragen. Milliardenwerte wechseln dabei den Eigentümer. Begünstigte dieser gigantischen Wertverschiebung sind die bisherigen Nutzungsberechtigten, die durch Zusammenschluss zu Agrargemeinschaften von Nutzern zu Eigentümern aufsteigen....
Vor allem die einfachen Landbürgermeister, finanziell und politisch abhängig von der Landesadministration, besitzen weder die fachliche Potenz nocht den nötigen finanziellen Spielraum, um ein Verfahren gegen die mächtigen Agrarbehörden durchzustehen. Lediglich manche Städte konnten die Regulierungsverfahren zum Teil durch Einsprüche hinauszögern und damit vorläufig die Übertragung von Gemeindegut abwenden".
Erwin Aloys, Bürgermeister von Ischgl klagte demselben Wirtschaftsmagazin:
"Zwischen 1968 und 1974 war durch ein sogenanntes Regulierungsverfahren der gesamte Grundbesitz der Gemeinde Ischgl, das waren 23 Millionen m², sang- und klanglos an die Agrargemeinschaft übertragen worden. 1974, als ich Bürgermeister wurde, hat die Gemeinde absolut nichts mehr besessen. Null, nicht einmal mehr eine Straße. Sogar die Bauten, wie Schwimmbad oder Musikpavillion, die von Gemeinde und Fremdenverkehrsverband finanziert und gebaut worden waren, sind ebenfalls mit dem Grund und Boden, auf dem sie standen, an die Agrargemeinschaft gefallen.
Nicht die Ischgler Bürger sondern die Mitglieder der Agrargemeinschaft, rund zehn Prozent der Bevölkerung, waren die Besitzer unseres Dorfes geworden. Ein ungeheuerlicher Vorgang in einem Rechtsstaat im 20. Jahrhundert...."
In Neustift fasste der Gemeinderat 1964 den Beschluss, (siehe Punkt 8 der Tagesordnung), dass der Grundbesitz und die ersessenen Rechte der Gemeinde Neustift im Stubaital durch das Regulierungsverfahren nicht geschmälert werden. Aber der Bescheid, mit dem der Gemeinde widerrechtlich alles weggenommen wurde, war da schon ein Jahr alt.
In Galtür - der Heimatgemeinde des damaligen Landesamtsdirektors Dr. Kathrein - fand am 10.2.1976 eine Verhandlung statt, in der darüber diskutiert wurde, ob ein Regulierungsverfahren eingeleitet werden soll. Dabei haben sich sämtliche anwesenden Gemeinderäte gegen eine Regulierung ausgesprochen, da sie eine Beunruhigung im Dorf befürchteten. Dies deshalb, weil bisher auch an Nichteingeforstete Holz abgegeben wurde und dieselben sich, wenn diese Möglichkeit nicht gegeben sei, als Gemeindebürger 2. Kategorie fühlen würden. Außerdem sei die Holzabgabe bisher ohne große Schwierigkeit zur Zufriedenheit der Gemeindebewohner erfolgt. Einhellig wurde die Meinung vertreten, dass, sollte eine Regulierung kommen, eine zu bildende Agrargemeinschaft auch alle Lasten übernehmen müsste. Das Gemeindegut Galtür ist bis heute nicht reguliert.
Innsbruck wehrte sich und brachte - offenbar nach dem Motto: "Wehret den Anfängen" - schon gegen die Feststellung, dass bestimmte (mit Teilwaldrechten belastete) Flächen "agrargemeinschaftliche Grundstücke" seien, diverse Rechtsmittel und schließlich Verfassungsgerichtshofbeschwerde ein.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 9336/1982