Soweit ich dies feststellen konnte, hat sich die Tiroler Landesregierung bis zum zweiten Weltkrieg im wesentlichen darauf beschränkt, die ihr durch das Teilungs- und Regulierungslandesgesetz des Jahres 1909 bzw. durch das Flurverfassungslandesgesetz des Jahres 1935 zugewiesenen Aufgaben zu erfüllen.
So tatstete die Agrarbehörde zum Beispiel im Generalakt für die als Gemeindegut bewirtschaftete Oberstädter Melkalpe vom 6. April 1925, Zl. 75/20 das Eigentum der Fraktion Imst-Oberstadt nicht an, hielt fest, dass den Eingeforsteten an Nutzungen nur das Weiderecht mit dem auf ihren Gütern überwinterten Vieh zustehe (setzte also auch die Anteile nicht in Form von Bruchteilen am Gesamtnutzen fest), beließ die Verwaltung beim Fraktionsausschuss, also einem damals in der Gemeindeordnung vorgesehenen gemeinderechtlichen Verwaltungsorgan.
Vor dem zweiten Weltkrieg war den Beamten der Tiroler Landesregierung offenbar auch noch vollkommen klar, dass das Gemeinde- und Fraktionsgut nicht etwa den in der Gemeinde oder der Fraktion ansässigen Bauern, sondern der Gemeinde bzw. der Fraktion als solcher gehört. Dies ergibt sich zum Beispiel aus dem Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 13. August 1926, VI-2034/13, womit die Zusammenlegung der Fraktionen Imst-Unterstadt und Imst-Oberstadt mit der Gesamtgemeinde Imst genehmigt und zugleich ein dagegen eingebrachter Rekurs einiger in einer dieser Fraktionen ansässiger Bauern abgewiesen wurde. In der Begründung dieses Bescheides wird betont, dass das Fraktionsgut nicht etwa der Gesamtheit der "Fraktionisten", also der in der Fraktion ansässigen Gutsbesitzer, sondern der Fraktion als solcher, einem davon verschiedenen Rechtssubjekt gehöre.
Nach dem zweiten Weltkrieg änderte sich die Praxis der Tiroler Agrarbehörde ganz wesentlich. Ging es vorher hauptsächlich darum, eine geordnete Bewirtschaftung der Gemeindegüter sicherzustellen, wurden nun die Regelungsinstrumente des Flurverfassungsrechtes dazu missbraucht, um teils parteipolitische und teils standespolitische Ziele zu erreichen. Es sollte das Vermögen der Gemeinden möglichst in die Hand weniger alteingesessener Bauern gebracht werden, welche zugleich als verlässliche Wähler jener Partei galten, die diese Art der Regulierungen vorantrieb. Bauernbundobmann Anton Steixner bestätigte in einem vom ORF in der Sendereihe "Tirol heute" am 4.5.2005 ausgestrahlten Interview: "Die Übertragung des Eigentums von den Gemeinden auf die Agrargemeinschaften war politisch gewollt. Landeshauptmann Wallnöfer war stolz darauf, dass das in Tirol gelungen ist."
Zu diesem Zweck wurde meistens wie folgt vorgegangen:
Altlandeshauptmann Dr. Wendelin Weingartner bestätigte in einem in der Zeitschrift "Die Neue" am 14.3.2006 veröffentlichten Interview: "Eine Rechtsgrundlage für diese Eigentumsübertragung gab es in keinem Gesetz".
Hofrat Dr. Hermann Arnold, einst selbst Beamter der Agrarbehörde, später Präsident des Tiroler Gemeindeverbandes und dann Landesamtsdirektor, hat in einem am 25. Mai 2005 in der Tiroler Tageszeitung veröffentlichen Interview, diese Praxis der Agrarbehörde als Katastrophe bezeichnet und dazu erklärt, er sei als junger Beamter einem Irrtum unterlegen.
Da die mir bekannten aus der damaligen Zeit stammenden Regulierungsbescheide (entgegen der Bestimmung des § 93 FLG 1952) keine Begründung dieser ungeheuerlichen Verfügung enthielten, hat mich natürlich interessiert, wie denn die Agrarbehörde damals diese für mich völlig unverständliche Vorgangsweise begründete. Auf der Suche nach dieser Begründung bin ich auf das schon mehrfach zitierte Manuskript des damaligen Leiters der Agrarbehörde I. Instanz aus dem Jahr 1957 gestoßen, welches im Bauernkalender 1966 veröffentlicht wurde. Darin wurde die geschichtliche Entwicklung des Gemeindegutes und der Rechte, dieses zu nutzen und die Rechtslage des 19. Jahrhunderts in geradezu unglaublicher Weise falsch dargestellt (Siehe dazu: Verdunkelung der rechtshistorischen Entwicklung des Gemeindeguts).
Reaktion der Gemeinden auf die Regulierungen