DR. ANDREAS BRUGGER, RECHTSANWALT
Salurnerstr. 16,  A- 6020 INNSBRUCK, TEL: 0043 512 561628, FAX: 0043 512 561628-4, E-MAIL: office@ra-brugger.at
Startseite Wir Kanzlei Fachgebiete Gemeindegut Aktuelles Kontakt
zurück zu den Fachgebieten

Themen Gemeindegut

Inhalt
Der Fall Neustift
Unrecht entdeckt........
Anfänge der Besiedlung
Kampf um Wald + Weide
1847: Wald an Gemeinden
Nutzungsrechte
  -  im provGG 1849
  -  in GO 1866
  -  1866 bis heute
Flurverfassung seit 1883
Grundbuchsanlegung
Agrarbehörde
Gemeinden zu Regulierung
VfGH 1982
Reaktion auf VfSlg 9336
Resümee
Novellierungsmöglichkeiten

Die Entwicklung des Gemeinderechts seit 1866:

Gesetz vom 18. Jänner 1882, LGBl Nr. 2

Dieses Gesetz ordnete an, das Gemeindevermögen (einschließlich des Gemeinde- und Fraktionsgutes) zu inventarisieren. Zumindest in jenen Gemeinden, in denen dieses Gesetz befolgt wurde, müsste das Inventar bei Streitfragen darüber, ob zum Beispiel Fraktionsgut oder eine im Eigentum einer Agrargemeinschaft stehende Liegenschaft vorliegt, eine Hilfe sein. Angeordnet wurden auch genaue Aufzeichnungen über die den Gemeinden zustehenden Rechte. 

Gesetz vom 8. Juni 1892, LGBl. Nr. 17:

Dieses Gesetz hat ebenfalls unter anderem die Inventarisierung des Gemeindevermögens angeordnet, war aber inhaltlich ungenauer. Trotzdem hat es das Gesetz vom 18. jänner 1882 außer Kraft gesetzt. 

Gesetz vom 14. Oktober 1893, LGBl. Nr. 32, Fraktionsgesetz

In diesem Gesetz wurden einige die Fraktionen betreffenden Fragen geregelt, so zum Beispiel das Recht der Fraktionen, eine Vertretung im Gemeinderat zu begehren, sowie dass sie nach außen durch den Gemeindevorsteher vertreten werden, die Mindestgröße der Fraktionen, die Aufgaben der Fraktionsvorsteher und die Verwaltung des Fraktionsvermögens. 

siehe auch Fraktionsgut...

Gesetz vom 30. Juni 1910, LGBl. Nr. 65

Mit diesem Gesetz wurde die Verteilung der sogenannten Teilwälder erleichtert.

Nach dem ersten Weltkrieg, dem Zusammenbruch der Monarchie und der Gründung der Republik Deutsch-Österreich wurden durch § 16 StGBl. Nr. 1/1918 das Reichsgemeindegesetz vom 5. März 1862, RGBl. Nr. 18 (und demzufolge auch die darauf aufbauenden Landesgesetze) in die Rechtsordnung der Ersten Republik übernommen bzw. übertragen. 

Gesetz vom 14. Juni 1922, LGBl. Nr. 98

Der Verkauf von Holz aus dem Gemeindegut bedurfte, wenn durch die Holzernte die nachhaltige Ertragsfähigkeit des Waldes überschritten wurde, einer Genehmigung der Landesregierung als Forstbehörde. 

Gesetz vom 26. Jänner 1924, LGBl. Nr. 12

Mit diesem Gesetz wurde § 63 Abs. 1 der Gemeindeordnung 1866 geändert. Es erfolgte eine sprachliche Korrektur. Es wurde das Fraktionsgut als Klammerausdruck eingefügt und somit klargestellt, dass sich diese für das Gemeindegut geltende Bestimmung auch auf das Fraktionsgut bezog und es wurde folgender Satz angefügt: "Unter der bisher gültigen Übung ist jene Übung zu verstehen, welche jeweils in der Gemeinde nachweisbar ist. 

Gesetz vom 10. März 1926, LGBl. Nr. 26

Es wurde die Einhebung einer Abgabe für die Nutzung des Gemeindegutes näher geregelt. 

Mit Gesetz vom 18. Mai 1928, LGBl. Nr. 36 wurde eine neue Gemeindeordnung erlassen

 Noch immer waren nicht alle Bewohner der Gemeinde als Gemeindemitglieder anerkannt (§ 14), sondern war die Gemeindemitgliedschaft vom Besitz von Liegenschaften oder dem Betrieb von steuerpflichtigen Gewerben oder Erwerben ansonsten von der Angehörigkeit zum Heimatverband abhängig.

Die Nutzungen des Gemeindegutes sind nun in den §§ 127 ff geregelt. Das Recht zur Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes richtet sich nicht mehr nach der Übung des Jahres 1866 sondern nach der "bisherigen Übung". Die Übung musste im Streitfalle entweder durch Urkunden oder rechtskräftige Entscheidungen der zuständigen Stellen oder durch den Nachweis der unbeanstandeten Übung während eines der "Nutzung entsprechenden Zeitraumes", bei Nutzungen, die ihrer Natur nach jährlich auszuüben sind, durch den Nachweis der unbeanstandete Nutzung in den letzten zehn Jahren bewiesen werden.

Weiterhin durfte die Nutzung nur zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes erfolgen.

Neu eingeführt wurde in § 129 folgende Bestimmung: "Für Nutzungen zu gewerblichen Zwecken besteht, von Titeln des Privatrechtes abgesehen, überhaupt kein Anspruch".

Wenn und insoweit dei Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindeguts nicht schon erschöpfend durch die Übung geregelt war, konnte der Gemeinderat die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes durch die Gemeindemitglieder regeln, wobei jedoch in keinem Fall der aus dem Gemeindegut bezogene Nutzen den Haus- und Gutsbedarf des betreffenden Mitgliedes übersteigen durfte. Eine solche Regelung die bestehenden Rechte nicht beeinträchtigen und bedurfte der aufsichtsbehördlichen Genehmigung (§ 131).

Die Erträgnisse der Nutzungen aus dem Gemeindegut, die nach Deckung aller rechtmäßigen Ansprüche übrig blieben, hatten nach wie vor in die Gemeindekasse zu fließen (§ 132). 

Die Gemeinde konnte nun von den Nutzungsberechtigten den Ersatz der zur Erhaltung oder Verbesserung des Gemeindegutes erforderlichen Aufwendungen und der darauf entfallenden öffentlichen Abgaben verlangen.

Eine Übertragung der Nutzungsrechte auf eine andere berechtigte Liegenschaft war nur ausnahmsweise zulässig und bedurfte eines Antrages der Gemeinde und einer Genehmigung der Landesregierung (§ 134).

Neu eingeführt wurde die Bestimmung des § 135, die es mit ähnlichem Inhalt heute noch gibt. Diese lautete:

"(1) Die Gemeinden sind ohne Rücksicht auf den Bestand von Nutzungsrechten im Sinne dieses Gesetzes auf Grund eines ordnungsgemäß gefassten rechtskräftigen Gemeinderatsbeschlusses unbeschadet der bezüglichen anderweitigen Vorschriften berechtigt:

a) sowohl Steinbrüche oder unter Tag (auf dem Bunde nicht vorbehaltene Mineralien, Sandgruben, Torfstiche) als auch Straßen, Be- und Entwässerungsanlagen und dergleichen auf Gemeindegrundstücken anzulegen oder deren Anlage zu gestatten;

b) mit Bewilligung der Landesregierung das Nutzungsrecht an solchen Grundstücken aufzuheben, wenn die Umwandlung des Grundstückes in eine volkswirtschaftlich höhere Kulturgattung erfolgt oder das Grundstück für Bauzwecke verwendet wird.

(2) Den Nutzungsberechtigten gebührt eine Entschädigung nur insoweit, als dadurch die Deckung des Haus- und Gutsbedarfes vermindert wird oder durch den Wegfall der Nutzung eine empfindliche Erschwerung des Wirtschaftsbetriebes eintritt. In beiden Fällen ist die Entschädigung in natura zu leisten. Nur wenn eine solche Art der Entschädigung nicht möglich ist, darf eine Entschädigung in Geld Platz greifen."

Novelle des § 128 TGO, Gesetz vom 25.3.1930, LGBl. Nr. 18

Mit dieser Novelle wurde angeordnet, das Recht, Holz aus dem Gemeindewald zu beziehen, bestehe unabhängig davon, ob der betreffende Berechtigte seinen Bedarf aus Wäldern decken könnte, die in seinem Eigentum stehen oder die ihm aus den Gemeindewäldern zur ausschließlichen Benützung zugewiesen wurden (Teilwälder). Somit erhielten also jene Mitglieder, denen zur Deckung ihres Haus- und Gutsbedarfes bestimmte Waldflächen zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen wurden, ein doppeltes Bezugsrecht. Sie hatten ja schon ihre Teilwaldflächen aus dem Gemeindegut erhalten und erhielten nun nochmals ein Holzbezugsrecht aus dem Gemeindewald wie jedes andere Gemeindemitglied zugesprochen. Diese ungerechtfertigte Bevorzugung wurde zum Beispiel von Dr. Stefan Falser in seiner Arbeit "Wald und Weide im tirolischen Grundbuch", Innsbruck 1932 auf den Seiten 31 ff zurecht scharf kritisiert. Trotzdem wurde diese ungerechte Regelung bis heute in alle folgenden Gemeindeordnungen übernommen. 

Gemeindeordnung vom 10. Juli 1935, LGBl. Nr.  36:

Mit diesem Gesetz wurden die Stände auch zur Vertretung der Gemeinden berufen. Die Mitgliedschaft in den Gemeinden wurde weitgehend der heutigen Einwohnergemeinde angenähert. Jeder österreichischer Staatsbürger, der mindestens drei Jahre lang seinen Hauptwohnsitz in einer Gemeinde hatte, wurde in dieser Gemeinde heimatberechtigt und sohin Gemeindemitglied. Weitere Differenzierungen (etwa in Bürger, Angehörige oder was auch immer) gab es (außer der Ehrenbürgerschaft) keine mehr. Einige Ausnahmen von dieser Regel finden sich in § 31. 

Die in den §§ 114ff angesiedelten Bestimmungen betreffend die Nutzungen des Gemeindegutes stimmen im wesentlichen mit den bis dort geltenden Bestimmungen überein. 

In § 116 wurde die Möglichkeit eingeschränkt, für die Nutzung des Gemeindegutes Abgaben einzuheben. 

Gemäß § 117 sollten für die Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Gemeindeguts die Bestimmungen des Flurverfassungslandesgesetzes maßgeblich sein.

Gemäß § 118 sollten - wie schon vorher - die Erträgnisse der Nutzung aus dem Gemeindegut, die nach Deckung aller rechtmäßigen Ansprüche übrig blieben, in die Gemeindekasse fließen. 

Gemäß § 121 konnte der Gemeindetag beschließen, Nutzungsrechte aufzuheben, wenn das Grundstück in eine volkswirtschaftlich höhere Kulturgattung gehoben werden sollte . 

In den §§ 127 ff waren die Fraktionen umfassend geregelt, wobei es aber gegenüber der Gemeindeordnung des Jahres 1929 keine wesentlichen Abänderungen gab.

Von den Bestimmungen über die Gemeindeaufsicht scheint mir die Bestimmung des § 159 Ziffer 1 bemerkenswert, welche lautete:

"Die Landesregierung hat darüber zu wachen, dass das Gemeindegut und Gemeindevermögen ungeschmälert der Gemeinde erhalten bleiben".

 

Aufgrund des Gesetzes über die "Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich" vom 13. März 1938 wurde die

Verordnung über die Einführung der Deutschen Gemeindeordnung im Lande Österreich vom 15. Sept. 1938 erlassen.

§ 1 dieser Verordnung lautete wie folgt:

"Ortschaften, Fraktionen und ähnliche innerhalb einer Gemeinde bestehende Verbände, Körperschaften und Einrichtungen gemeinderechtlicher Art werden mit dem Inkrafttreten der Deutschen Gemeindeordnung aufgelöst. Ihr Rechtsnachfolger ist die Gemeinde...."

Diese Bestimmung wurde nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder rückgängig gemacht. Daher ist das ehemalige Fraktionsgut zum Gemeindegut geworden (VfGH 1. März 1982, G35/81, G36/81, G83/81, G84/81, VfSlg. 9336; OAS, 3. Mai 1989, Zl. 710.824/02-OAS/89). 

Vom 1. Oktober 1938 bis zum Ende des zweiten Weltkrieges hat dann die deutsche Gemeindeordnung gegolten.

Das Recht zur Benützung der öffentlichen Gemeindeeinrichtungen und die Pflicht zur Tragung der Gemeindelasten wurden den Einwohnern der Gemeinden zugeordnet (§17 dGO). Die Vorschriften betreffend die Benützung und Verwaltung des Gemeindegutes blieben freilich auch während der Geltung der deutschen Gemeindeordnung praktisch unangetastet. Die maßgeblichen Bestimmungen lauteten wie folgt: 

§ 64 Für die Bewirtschaftung der Gemeindewaldungen gilt das bisherige Recht.

§ 65 (1) Für die Nutzung des Gemeindevermögens, dessen Ertrag nach bisherigem Recht nicht der Gemeinde, sondern sonstigen Berechtigten zusteht (Gemeindegliedervermögen), verbleibt es bei den bisherigen Vorschriften und Gewohnheiten.

(2) Gemeindevermögen darf nicht in Gliedervermögen umgewandelt werden.

 

Nach Gründung der zweiten Republik wurde durch das Vorläufige Gemeindegesetz 1945, StGBl. Nr. 66/1945 das frühere Gemeinderecht mit dem Stand vor dem 1. Oktober 1938 wieder eingeführt. Dies allerdings mit Ausnahme jener Rechtsvorschriften, die zur Anpassung an die ständestaatliche Mai-Verfassung des Jahres 1934 ergangen waren. Die durch die Einführung der deutschen Gemeindeordnung angeordnete Aufhebung der Fraktionen und sonstigen Einrichtungen und Körperschaften gemeinderechtlicher Art und die Einsetzung der Gemeinden als Rechtsnachfolgerin dieser Ortschaften, Fraktionen, Einrichtungen und Körperschaften wurde jedoch nicht rückgängig gemacht (VfSlg 4229, 9336; OAS 43-OAS/66).

Schließlich wurde mit Landesgesetz vom 31. März 1949, LGBl. für Tirol Nr. 24 die Grundlage für das heute noch geltende Tiroler Gemeindegesetz geschaffen.

Die für die Nutzung des Gemeindeguts maßgeblichen Bestimmungen finden sich in den §§ 78 bis 82. Sie unterscheiden sich von den früheren Bestimmungen praktisch überhaupt nicht. 

Gemäß § 78 Abs. 1 war das Gemeindegut auch zur Deckung der Bedürfnisse der Gemeinde bestimmt.

Gemäß § 78 Abs. 3 durfte die Nutzung des Gemeindegutes keinesfalls den Haus- und Gutsbedarf einer berechtigten Liegenschaft übersteigen. 

Gemäß § 80 konnte die Gemeinde die ihr aus dem Gemeindegut erwachsenden Lasten und Aufwendungen auf die Nutzungsberechtigten umlegen. 

Gemäß § 81 war die Gemeinde berechtigt, 

"auf Gemeindegrundstücken im Bereich des Gemeindegutes unter Aufhebung der darauf lastenden Nutzungsrechte Steinbrüche, Sandgruben, Torfstiche, Straßen, Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen und dergleichen anzulegen oder deren Anlage zu gestatten,

die Nutzungsrechte an Grundstücken, die zum Gemeindegut zählen, aufzuheben, wenn ein Grundstück ein eine volkswirtschaftlich wertvollere Kulturgattung gehoben oder für Bauzwecke verwendet werden soll".

Für den Entzug der Nutzungsrechte gebührte eine Entschädigung nur soweit, als dadurch die Deckung des Haus- oder Gutsbedarfes vermindert wurde oder durch den Entfall der Nutzung eine empfindliche Erschwerung des Wirtschaftsbetriebes eintrat. Die Entschädigung war in der Regel durch Zuweisung anderer Nutzungsrechte und nur, soweit das nicht möglich war, in Geld zu leisten. 

Heute wird die Nutzung des Gemeindegutes durch die Bestimmungen der §§ 68 sowie 70 bis 74 der Tiroler Gemeindeordnung 2001, LGBl. Nr. 36/2001 in der Fassung LGBl. Nr. 43/2003 geregelt. Gegenüber der Regelung aus dem Jahr 1949 hat sich außer einigen sprachlichen Vereinfachungen bzw. eine Zuhilfenahme der Ziele der örtlichen Raumordnung zur näheren Beschreibung der von der Gemeinde wahrzunehmenden öffentlichen Interessen nichts geändert.

 

Die Rechtsgeschichte des Flurverfassungsrechtes