In der aufgrund des Reichsgemeindegesetzes vom 5. März 1862, RGBl. Nr. 18, erlassenen Gemeindeordnung für die gefürstete Grafschaft Tirol vom 31. Jänner 1866 finden sich folgende das Gemeindegut betreffenden Regelungen:
§ 10. Die Gemeindemitglieder und unter den Auswärtigen diejenigen, welche Besitzer oder lebenslängliche Nutznießer einer innerhalb der Gemeindegemarkung gelegenen unbeweglichen versteuerten Sache sind, oder welche von einem in der Gemeinde selbständig betriebenen Gewerbe oder Erwerbe eine direkte Steuer entrichten, nehmen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes an den Rechten und Vorteilen, wie an den Pflichten und Lasten der Gemeinde teil.
Das ist immerhin eine achtenswerte Absichtserklärung, die freilich mit der im folgenden noch wiedergegebenen Bestimmung des § 63 nicht im Einklang steht.
§ 12. Die privatrechtlichen Verhältnisse überhaupt und insbesondere die Eigentums- und Nutzungsrechte ganzer Klassen oder einzelner Glieder der Gemeinde bleiben unberührt.
Da in § 63 für die Nutzungsrechte am Gemeindegut ohnehin besondere Regelungen getroffen werden, kann unerörtert bleiben, ob sich diese Bestimmung auch auf die (nicht auf einem Privatrechtstitel sondern auf dem öffentlichen Recht beruhenden) Nutzungen am Gemeindegut bezogen.
§ 54. Der Gemeindevorsteher führt die Verwaltung des Gemeindevermögens und die Aufsicht über die Benützung und Verwaltung des Gemeindegutes ...
§ 61. Ein vorzügliches Augenmerk hat die Gemeinde auf die Erhaltung und nachhaltige Pflege ihrer Waldungen zu richten ... Zur Verteilung des Stammvermögens und des Stammgutes oder eines Teiles desselben unter die Gemeindemitglieder ist ein Landesgesetz erforderlich.
Diese Bestimmung betrifft die sogenannten Teilwälder (mehr).
§ 63. In Bezug auf das Recht und das Maß der Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes ist sich nach der bisherigen gültigen Übung zu benehmen, mit der Beschränkung jedoch, dass ... kein zum Bezuge Berechtigter aus dem Gemeindegute einen größeren Nutzen ziehe, als zur Deckung seines Haus- und Gutsbedarfes notwendig ist.
Wenn und insoweit eine solche Übung nicht besteht hat der Ausschuss ... die, die Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindegutes regelnden Bestimmungen zu treffen.
Hiebei kann diese Teilnahme von der Entrichtung einer jährlichen Abgabe und anstatt oder noch neben derselben von der Entrichtung eines Einkaufsgeldes abhängig gemacht werden.
Diejenigen Nutzungen aus dem Gemeindegute, welche nach Deckung aller rechtmäßig gebührenden Ansprüche sich erübrigen, sind in die Gemeindekasse abzuführen.
Die Bestimmung des Abs. 1 wurde von Schiff (Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung, Thübingen 1898, Seite 199 f) kritisiert: Diese Bestimmung sorge nämlich durchaus nicht dafür, dass endlich Ordnung und Klarheit in Bezug auf die Nutzungsrechte am Gemeindegute geschaffen werde. Daraus ergebe sich zwar, dass eine unangefochtene Übung zu gelten habe, wo eine solche bestehe. Es fehle aber die Anordnung, wonach die Gemeinden verpflichtet worden wären, eine in ihrem Gemeindegebiet allenfalls bestehenden unangefochtene Übung und deren Inhalt auch festzustellen. Nach der (damaligen) Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei nicht etwa die jeweilige Übung sondern jene des Jahres 1863 maßgeblich, die inzwischen (also im Jahre 1898) nur mehr sehr schwer feststellbar sei, weil inzwischen ein Menschenalter vergangen sei.
Die Kritik Schiffs ist im Hinblick darauf zu sehen, dass er an anderer Stelle die durch diese Unklarheiten vielerorts verursachte Ausplünderung und Verwüstung der Wälder eingedämmt wissen will. Im Hinblick auf die im Zusammenhang mit den zitierten Bestimmungen in Frage stehende Verteilungsgerechtigkeit sei jedoch die Anmerkung erlaubt, dass gerade der von Schiff kritisierte Umstand der in § 63 der Gemeindeordnung 1866 angeordneten durchaus problematischen Versteinerung der Bezugsrechte die Schärfe nahm und de facto eine Veränderung der im Jahre 1866 bestehenden Traditionen der Bezugsrechte ermöglichte. Die spätere Regulierung der Bezugsrechte hat zumindest zum Teil dazu geführt, dass sich Bezugsrecht und Bedarf auseinander entwickelt haben und dass es jetzt einerseits Bezugsberechtigte ohne Bedarf und andererseits Bedürftige ohne Bezugsrecht gibt. Im Hinblick darauf, dass die Gemeindegüter Jahrhunderte lang in gewisser Weise die Funktion einer Sozialhilfe in natura erfüllt haben, erscheint diese Entwicklung wenig zu begrüßen. Das scheint mir so, als wenn heute der Sozialhilfebezug in ein vererbliches Recht auf Rentenbezug umgewandelt würde. Das wäre weder aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes vertretbar noch zweckmäßig.
Interessant ist aber auch noch eine andere Kritik Schiffs, nämlich die an Abs. 2 obiger Bestimmung: Diesbezüglich erinnert er nämlich daran, dass in den Gemeinderäten des 19. Jahrhunderts keineswegs alle Bevölkerungsschichten gleichermaßen vertreten waren. Vielmehr richtete sich das Gewicht der Stimme bei den Wahlen zum Gemeinderat nach dem Steueraufkommen, weshalb die vermögenderen Gemeindemitglieder natürlich in aller Regel auf die Entscheidungen der Gemeinderäte einen weit größeren Einfluss hatten, als ihre ärmeren Mitbürger. Dies soll zumindest in manchen Gemeinden dazu geführt haben, dass die vermögenderen Gemeindebürger auch hinsichtlich ihres Rechts zur Teilnahme an den Nutzungen des Gemeindeguts bevorzugt behandelt worden seien.
§ 68. Besteht zur Bedeckung gewisser Ausgaben ein besonders gewidmetes Vermögen, so sind hiezu vorerst die Einkünfte dieses Vermögens zu verwenden. Dieselben dürfen ihrer Widmung nicht entzogen werden.
§ 69. Wenn zwei oder mehrere Ortsgemeinden mit Vorbehalt ihres Eigentums zu einer Ortsgemeinde vereinigt worden sind, so sind die Einkünfte des gesonderten Eigentums nach dem bei der Vereinigung geschlossenen Übereinkommen, in Ermangelung eines solchen aber zur Bestreitung des Aufwandes, der auf jede der früheren selbstständigen Gemeinden entfällt, zu verwenden.