Aufgrund des Waldzuweisungspatents vom 6.2.1847 wurde also das Eigentum am Großteil der Wälder Tirols den Gemeinden übertragen. Als Rechtfertigung dafür, dass den Gemeinden hauptsächlich in den 1950er- und 1960er-Jahren ihr Eigentum an diesen Wäldern wieder genommen wurde, hat der damals zuständige Leiter der Agrarbehörde behauptet, 1947 hätte es noch gar keine Gemeinden gegeben. Mit dem im Waldzuweisungspatent verwendeten Ausdruck "Gemeinden" seien daher nicht etwa die politischen Gemeinden sondern nur jeweils einige wenige alteingesessene Bauern in diesen Gemeinden, die dieser als "Realgemeinde" bezeichnete, gemeint gewesen.
Deshalb ist es von Interesse, sich damit zu befassen, welchen rechtlichen Status die Gemeinde in Tirol im Jahre 1847 hatte, und daher mit der Darstellung des Gemeinderechts schon vor 1847 zu beginnen.
Hans Neuhofer schreibt dazu in seinem Handbuch des Gemeinderechts auf Seite 3 folgendes: „Die Gemeindeverwaltung reicht in die geschichtlichen Anfänge zurück. Wir wissen aus den allgemeingeschichtlichen Darstellungen und der Rechtsgeschichte sowie aus Festschriften der Städte, Märkte und Dörfer, dass diese seit eh und je bestanden und in zeitlicher Folge mehr oder minder ihre örtlichen Angelegenheiten unter eigener Verantwortung besorgten“.
Der Oberste Agrarsenat hat in seiner Entscheidung vom 2.3.1966, Zl. 43 OAS 66, auf den Seiten 13 ff, ausgeführt:
"Die neuere Gemeindeforschung (vgl. Bosl, Eine Geschichte der deutschen Landgemeinde, Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie, 1961, H.2; Bader, Dorfgenossenschaft und Dorfgemeinde, Böhlau Verlag Köln Graz, 1962) hat festgestellt, dass seit eh und je Personenverbindungen aller Art als 'Gemeinde' bezeichnet worden sind und somit vom Worte her kein Unterschied zwischen einer Art Wirtschaftsgemeinschaft (Dorfgenossenschaft, Agrargenossenschaft, gmain, gmoa) und einer Art Verwaltungsgemeinschaft (Dorfgemeinde, politische Gemeinde) konstruiert werden kann.
Es bestanden nebeneinander Formen, bei denen das nachbarliche Miteinander einer Vielzahl von Dorfbewohnern deutlich zum Ausdruck kam, vor allem in Fragen der gemeinsamen Nutzung der Allmende, und Formen, wo der auf das Dorf reduzierte radizierte Verband - nicht auf Grund staatlicher Delegation, sondern auf Grund eigenen, aus verschiedenen Wurzeln entstandenen Rechts - über die Gemeinnutzung hinausgehende Befugnisse in Anspruch nahm und auch ausübte.
Dieses Nebeneinander und Miteinander der verschiedenen Formen bedeutete eine dynamische Durchdringung, die von gesamthänderisch - genossenschaftlichen zwangläufig zu körperschaftlich - gemeindlichen Formen führte.
In Spätformen mag dann eine Trennung eingetreten sein, die einerseits zur Realgemeinde, Agrargemeinschaft oder überwiegend privatrechtlichen Korporation und andererseits zur politischen oder Einwohnergemeinde geführt hat. Von Haus aus aber handelte es sich um e i n e n menschlichen Verband, um eine Sachgrundlage, über der dieser Verband entstand, um das Dorf.
Historisch gesehen stellt sich somit in früherer Zeit die Landgemeinde als ein - wenn auch mancherorts nur in gewissem Rahmen - handlungsfähiger, mit gewissen Selbstverwaltungsrechten ausgestatteter bäuerlich-genossenschaftlicher Verband dar, der naturgemäß in erster Linier eine Wirtschaftgemeinschaft ist.
Die Gemeinde ist nicht 'von obern her', auf Wink oder Befehl einer 'Staatsgewalt', sondern 'von unten her' durch eigene Entfaltung von besonderen Funktionen entstanden. Sie ist weder aus einer Wurzel, noch auch zu einer bestimmten Zeit, etwa gar in einem fixierbaren Jahr entstanden.
Wenn auch die heutige Ortsgemeinde (politische Gemeinde) ein Erzeugnis des modernen Staates ist, so hat doch die Gemeindebildung als komplexer Vorgang bereits vor Jahrhunderten - mehr oder weniger ausgeprägt - begonnen.
... Im Vortrag des Ministerrats vom 15.3.1849 wurde bereits die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, 'die Ortsgemeinde, wie sie faktisch besteht, berücksichtigen zu müssen, denn sie hat eben durch ihren Bestand ein gegründetes gutes Recht, ihre individuelle Existenz anzusprechen; sie ist eine moralische Person, welche die Anerkennung und Gewährleistung ihres Fortbestandes zu fordern berechtigt ist'. Demzufolge anerkannte das provisorische Gemeindegesetz vom 17.3.1849 die faktisch bestehende Ortsgemeinde als unterste Einheit in der Gliederung der Gemeinden ...
Die Rechtsansicht, vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hätte noch keine Gemeinde bestanden, so dass der Erwerb der Grundstücke Privateigentum ... begründet hätte, widerspricht der historischen Forschung."
Diese Rechtsansicht deckt sich damit, dass die Gemeinde schon in dem (am 1.1.1812 in Kraft getretenen) ABGB nicht nur mehrfach erwähnt, sondern auch ausnahmslos als juristische Person behandelt wurde (siehe §§ 27, 286, 288, 290, 337, 529, 559, 867, 1454 und 1472 ABGB).
So ergibt sich
Schließlich ist aber auf die allerhöchste Entschließung vom 14. August 1819 zur Regulierung des Gemeindewesens in Tirol und Vorarlberg, ProvGesSlg Bd VI, Z.168, zu verweisen, welche die Existenz der Gemeinden in Tirol und Vorarlberg als Tatsache voraussetzt und die Gemeinde in einer Weise regelt, welche die Gemeinden in Tirol zumindest schon seit 1819 als Gemeinden im politischen Sinn ausweist.
Es kann also nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass die Gemeinden, als ihnen aufgrund des sogenannten Waldzuweisungspatentes, also der allerhöchsten Entschließung vom 6.2.1847 ein Großteil der Wälder Tirols ins Eigentum übergeben wurden, längst als vollständig rechts- und vermögensfähige Körperschaften im Sinn der politischen Gemeinde existiert haben.
Schließlich wird ja auch berichtet (vgl. Schiff, "Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung" I. Band, Thübingen 1898, Seite 49), dass im Jahre 1847 zwischen Aerar und Gemeinden Eigentumsprozesse über 203.000 ha Wald anhängig gewesen seien. Hätte es damals noch gar keine Gemeinden gegeben bzw. wäre ihnen damals noch nicht die Eigenschaft einer juristischen Person zugekommen - wie der damalige Leiter der Tiroler Agrarbehörde I. Instanz in einem am 23.10.1957 vor den Leitern der Agrarbehörden Österreichs gehaltenen Referat und in einem im Bauernkalender 1996 veröffentlichten Aufsatz (Seite 260) behauptete - so hätten die Gemeinden damals (also 1847) wohl kaum Eigentumsprozesse gegen den Aerar führen können.
Die Behauptung, die politische Gemeinde hätte im Jahre 1847 noch gar nicht als juristische Person existiert, ist daher vollkommen absurd.