Im Verfahren G 35/81, G36/81, G83/81, G84/81 des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 9336) hat die Tiroler Landesregierung folgendes behauptet:
"Der Ursprung [des Gemeindegutes] ist das deutschrechtliche genossenschaftliche Institut der gemeinsamen Nutzung (Allmende), die den jeweiligen Eigentümern berechtigter Höfe bzw. den Gemeindeangehörigen als Allmendnutzungsberechtigten zustand. Für diese gemeinschaftliche Nutzung haben sich eigene Gemeinschaften (Nachbarschaften, frühere ursprünglich selbständige Gemeinden) herausgebildet, die auch bei der Grundbuchsanlegung kraft ihres klar begrenzten Mitgliederkreises in der Regel vom übrigen Gemeindegut getrennt behandelt wurden. Sie gelten heute als Agrargemeinschaften.
In vielen Gemeinden war jedoch die Gemeinde als solche, nämlich die alte sogenannte 'Realgemeinde'(?) als Nutzungsgemeinschaft Zuordnungspunkt dieser Nutzung. Dafür wurde dann der Begriff Gemeindegut verwendet ...
Bei der Grundbuchsanlegung wurde einmal die Gemeinde, dann wieder eine Nachbarschaft, eine Fraktion, eine Interessentschaft, die Katastralgemeinde oder die Berechtigten als Miteigentümer eingetragen. Es lag allein im Gutdünken des zuständigen Grundbuchsbeamten, welchen Ausdruck er verwendete. Da die tatsächliche Nutzung weiterhin gemäß der alten Übung erfolgte, war es für den Berechtigten in wirtschaftlicher Hinsicht gleichgültig, ob seine Bedürfnisse an Holzbezugs- und Weidemöglichkeiten durch die Mitgliedschaft zur Nachbarschaft, zu einer Interessentschaft oder durch eine Gemeindegutsnutzung gedeckt wurde.
So gesehen zeigt sich, daß das Gemeindegut nur eine von mehreren historischen Ausformungen der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte darstellt. Das muß berücksichtigt werden, wenn man die heutigen bodenreformatorischen Regelungen unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes beurteilt. Die historischen Zufälligkeiten einer rein tatsächlichen Vorgangsweise dürfen nicht einseitig gesehen werden, weil dann das Gegenteil dessen erreicht werden würde, wozu der Gleichheitssatz verpflichtet, nämlich gleichgelagerte Verhältnisse auch rechtlich gleich zu behandeln. So gesehen scheinen die in Prüfung gezogenen gesetzlichen Bestimmungen dem Gleichheitssatz nicht zu widersprechen. Sie bedeuten insbesondere nicht eine gleichheitswidrige Einbeziehung des Gemeindeguts in eine auf bestehende agrarische Gemeinschaften abgestellte Regelung. Mit diesem Vorwurf wird übersehen, daß die Gemeinde hinsichtlich des Gemeindegutes eben nicht als (politische) Gemeinde auftritt, sondern mangels einer eigenen rechtlichen Verfassung der Gesamtheit der Nutzungsberechtigten eine Agrargemeinschaft ex lege bildet ...
In diesen Fällen ist die Gemeinde nicht als politische Gemeinde 'Eigentümerin', sondern sie ist als 'Erbin' der alten Realgemeinde anzusehen und damit nicht als Gebietskörperschaft, sondern als Rechtsnachfolger der alten genossenschaftlichen organisierten Realgemeinde (heute als Agrargemeinschaft definiert). Nicht die 'undifferenzierte' Einbeziehung des Gemeindegutes in den Kreis der agrargemeinschaftlichen Grundstücke - damit wird nach dem Dargelegten Gleichartiges rechtlich gleich behandelt - verletzt mithin den Gleichheitsgrundsatz; es würde vielmehr im Gegenteil die Herausnahme des Gemeindegutes aus dem Kreis der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ebenso wie dessen gegenüber anderen agrargemeinschaftlichen Grundstücken verschiedene rechtliche Behandlung den Gleichheitssatz verletzen, weil dadurch die Nutzungsberechtigten am Gemeindegut im Verhältnis zu den anderen agrargemeinschaftlichen Nutzungsberechtigten ungleich behandelt würden, obwohl Gleichartigkeit vorliegt."
Der Verfassungsgerichthof hat darüber folgendermaßen entschieden:
gesamte Entscheidung des VfGH Slg 9336/1982"1. Unter dem Gemeindegut (Ortschaftsgut, Fraktionsgut) ... ist jene Erscheinung zu verstehen, die in den früheren Gemeindeordnungen im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes 1862 und den nachfolgenden Gemeindegesetzen geregelt war (vgl. dazu für Vbg. VfSlg. 384/1925 und VfSlg. 2308/1952) und im geltenden ... Gemeinderecht noch als bestehend festgehalten wird. Das ergibt sich nicht nur aus dem durch die Gemeindeordnungen geprägten Ausdruck "Gemeindegut", sondern auch aus dem Hinweis auf die Bestimmungen der Gemeindeordnungen im Grundsatzgesetz...
Das Gemeindegut iS der Gemeindeordnungen ist aber ... nicht nur formell der Gemeinde zugeordnet, sondern auch in materieller Hinsicht Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten einiger oder aller Gemeindeglieder belastet ist, sodass die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuss der Nutzungen der Gemeinde als solcher zugeordnet bleiben.
Die der Äußerung der Tiroler Landesregierung zugrundeliegende Ansicht, die Gemeinde fungiere (auch) in diesen Fällen gleichsam nur als Vertreter oder Treuhänder der Nutzungsberechtigten und diese - die Mitglieder der alten Realgemeinde oder die von ihnen gebildete Gemeinschaft - seien die wahren (materiellen) Eigentümer des Gemeindegutes, findet in der tatsächlichen Entwicklung des Gemeinderechts keine Stütze. Es ist einzuräumen, dass im Zuge der Überleitung des alten Gemeindegutes in die neue Gemeindeverfassung nach 1848 aus dem Eigentum der alten Realgemeinde häufig Eigentum der Nutzungsberechtigten entstanden ist (dieser Umstand wird in der Literatur immer wieder näher beschrieben und belegt, vgl. vor allem Walter Schiff, Österreichs Agrarpolitik seit der Grundentlastung, 1898, 164 ff., Oesterreichisches Staatswörterbuch, 2. Auflage, I, 1905, 75 f., sowie Otto Bauer, Der Kampf um Wald und Weide, 1925, 113 ff.; aber auch Stephan v. Falser, Wald und Weide im tirolischen Grundbuch, 1. Auflage, 1896, 23 ff., und Eberhard W. Lang, Die Teilwaldrechte in Tir., 1978, 78 ff.). Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Vorgänge den damals geltenden Vorschriften entsprochen haben. Was nämlich zum Gemeindegut iS der nach dem Reichsgemeindegesetz 1862 erlassenen Gemeindeordnungen geworden ist, wurde damit - bei allem Vorbehalt überkommener Nutzungsrechte - wahres Eigentum der neuen (politischen) Gemeinde, die übrigens auch verschiedene Lasten übernommen hatte, von denen früher die Realgemeinde betroffen gewesen war.
So sprach schon §74 des Provisorischen Gemeindegesetzes 1849 ausdrücklich davon, daß "... das Gemeindevermögen und Gemeindegut Eigentum der Gemeinde als moralischer Person, und nicht der jeweiligen Gemeindeglieder ist, ...", und die gleiche Konzeption liegt der ... Systematik und den einzelnen Regelungen der im Rahmen des Reichsgemeindegesetzes erlassenen Gemeindeordnungen zugrunde (vgl. auch VfSlg. 1383/1931, 4229/1962 S 352 und 5666/1968 S 59). ...
Die gegenteilige Auffassung würde nicht nur unterstellen, dass die Gemeinde unter Umständen durch Generationen bloße (unentgeltliche) Verwalterin fremden Vermögens gewesen ist, sondern auch der ständigen Rechtsprechung des VwGH widersprechen, der stets die Maßgeblichkeit der Gemeindeorgane gegenüber der Selbstverwaltung der Nutzungsberechtigten hervorgehoben und die Verfügungsmacht der Gemeinde betont hat (Slg. Budw. 6762, 7302, 7608, 8118) und noch in einem Erk. aus 1954 die Eingrenzung des Rechts am Gemeindegut auf den Kreis der Nutzungsberechtigten als den Versuch einer juristischen Konstruktion bezeichnet, die im Gesetz keinerlei Deckung finde (VwSlg. 3560 A/1954)."