DR. ANDREAS BRUGGER, RECHTSANWALT
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Themen Gemeindegut

Inhalt
Der Fall Neustift
Unrecht entdeckt........
Anfänge der Besiedlung
Kampf um Wald + Weide
1847: Wald an Gemeinden
Nutzungsrechte
  -  im provGG 1849
  -  in GO 1866
  -  1866 bis heute
Flurverfassung seit 1883
Grundbuchsanlegung
Agrarbehörde
Gemeinden zu Regulierung
VfGH 1982
Reaktion auf VfSlg 9336
Resümee
Novellierungsmöglichkeiten

Prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849, RGBl. Nr. 170:

Im Jahr 1848 forderte das Volk in mehreren Ländern Europas mehr Mitbestimmung. Es gab eine Revolution in Paris. In Österreich wurden zunächst nur Petitionen überreicht. Im März 1848 drangen Demonstranten in den niederösterreichischen Landtag ein. Das Militär  gebrauchte Schusswaffen. Demonstrationsmärsche fanden statt. Metternich trat zurück. Bürger und Studenten bewaffneten sich. Umsturz und Bürgerkrieg konnten jedoch schließlich durch Reformversprechen verhindert werden.

Eine dieser geforderten Reformen betraf die Gemeinden, weshalb in § 33 der sogenannten "Oktoyierten Märzverfassung" vom 4. März 1849, RGBl. Nr. 150", den Gemeinden die Wahl ihrer Vertreter, die Aufnahme neuer Mitglieder in den Gemeindeverband sowie die selbständige Verwaltung ihrer Angelegenheiten verfassungsrechtlich garantiert wurde. 

Auf der Grundlage dieser Verfassung wurde am 17. März 1849 ein provisorisches Gemeindegesetz erlassen. Dieses Gesetz wird vielfach als Einführung der politischen Gemeinde im heutigen Sinn gewertet, was einige bäuerliche Interessenvertreter zur Behauptung verführt hat, diese mit prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849 geschaffene Gemeinde sei etwas ganz Neues, bis dort noch nie da Gewesenes, und könnte daher nicht als die Fortsetzung der bis dort bestehenden Gemeinde betrachtet werden. Da nirgends ausdrücklich angeordnet worden sei, dass die neue durch das prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849 geschaffenen politischen Gemeinden in die Rechte der bis dorthin bestehenden Gemeinden eingetreten seien, gehöre das Gemeindegut immer noch den "alten" Gemeinden. In den 1950er und 1960er Jahren hat dann die Tiroler Landesregierung diese - zu diesem Zeipunkt längst widerlegte - Argumentation wieder aufgegriffen und damit zu rechtfertigen versucht, dass sie den Gemeinden den größten Teil ihres Eigentums widerrechtlich entzogen hat. Diese Argumentation ist allerdings völlig absurd:

Wenn durch das prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849 nicht die bis dort bestehenden Gemeinden reformiert sondern neue Körperschaften geschaffen worden wären, hätten die "alten" - in Tirol durch die allerhöchste Entschließung vom 14. August 1819 geregelten - Gemeinden nach wie vor weiter existiert und zwar parallel zu den neuen - durch das prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849 geregelten - Gemeinden. Dies hätte dazu geführt, dass die wichtigen Funktionen in den Gemeinden (Bürgermeister, Gemeindeausschuss, Steuereintreiber, Gemeindekassier) etc. durch Wahlen doppelt besetzt werden hätten müssen und sich die Organe der alten und der neuen Gemeinden ständig darum streiten hätten müssen, wer wofür zuständig ist, weil die Organe der alten Gemeinde weitgehend dieselben Zuständigkeiten hatten, wie jene der neuen Gemeinde (mehr). Dies hätte zwangsläufig zu einem Chaos in der Verwaltung der Gemeinden führen müssen .

Zudem hätten in dem Fall die neu geschaffenen Gemeinden über keinerlei Vermögen verfügt, wodurch zum Beispiel nicht erklärbar wäre, welchen Sinn es dann gehabt haben sollte, dass in den §§ 73 ff des prov. Gemeindegesetzes 1849 ausführlich geregelt wurde, wie die Gemeinden ihr Vermögen zu verwalten haben.

Eine derart unsinnige Regelung kann dem Gesetzgeber keinesfalls unterstellt werden. Meines Wissens ist auch kein Fall bekannt, in dem nach Erlassung des prov. Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 die Funktionäre der alten Gemeinde laut allerhöchster Entschließung vom 14. August 1819 (Vorsteher, zwei Ausschüsse, Gemeindekassier und Steuereintreiber) weiterhin neben den Funktionären der neuen Gemeinde gewählt worden wären bzw. ihr Amt ausgeübt hätten.

*****

Aber auch ein Vergleich jener Personen, denen gemäß § 1 der allerhöchsten Entschließung vom 14.8.1819 die Stellung eines Gemeindemitgliedes zukam, mit jenen, die nach dem prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849 am Gemeindegut nutzungsberechtigt sein sollten, führt zum Ergebnis, dass sich durch das Inkrafttreten des provisorischen Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 keineswegs der für eine Nutzung des Gemeindegutes in Frage kommende Personenkreis gravierend geändert hat (mehr).

Schließlich hat aber das prov. Gemeindegesetz vom 17. März 1849 in verschiedenen Bestimmungen an die bestehenden Verhältnisse angeknüpft. So wurde in § 74 dieses Gesetzes geklärt, dass das Gemeindegut im Eigentum der Gemeinde steht und in § 26 bestimmt, dass zum Beispiel allfällige Nutzungsrechte durch das prov. Gemeindegesetz nicht geändert werden.

Die Oktroyierte Märzverfassung wurde übrigens mit dem sogenannten Silvesterpatent vom 31.12.1851, RGBl. Nr. 2/1852 für unwirksam erklärt. Das prov. Gemeindegesetz war aber - anders als mitunter geschrieben wird - von dieser Unwirksamerklärung nicht betroffen. Im Gegenteil: Kaiser Franz Josef kündigte im Silvesterpatent an, demnächst eine Reihe von Grundsatzgesetzen zu erlassen und verfügte: "bis dahin sind die dermalen in Wirksamkeit stehenden Gesetze zu beachten". Darauf aufbauend knüpfte auch die folgende Gesetzgebung an die durch das prov. Gemeindegesetz geschaffene Rechtslage an. So verfügte zum Beispiel § 3 der Gemeindeordnung für die gefürstete Grafschaft Tirol vom 31. Jänner 1866, dass Gemeinden, welche in Folge des Gesetzes vom 17. März 1849 mit anderen in eine Gemeinde vereinigt worden seien, auf Ansuchen durch das Landesgesetz wieder getrennt werden könnten. Wurde also kein solches Ansuchen gestellt, blieben die aufgrund des prov. Gemeindegesetzes vom 17. März 1849 durchgeführten Veränderungen wirksam. Das gleiche muss auch für die Feststellungswirkung des § 63 des prov. Gemeindegesetzes vom 17. März 1849, RGBl. 170/1849, gelten, zumal die aus der Rechtsmeinung, das Gemeindevermögen stehe nicht im Eigentum der Gemeindemitglieder, 1849 gezogene Konsequenz - nämlich dass es deshalb nicht an die Gemeindemitglieder verteilt werden darf - auch in § 61 der Tiroler Gemeindeordnung des Jahres 1866 verfügt wurde.